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Warum Nachhaltigkeitsbuchhaltung immer wichtiger wird

©IAIS, Florian Eckel

©IAIS, Florian Eckel

Schon länger beschäftigen sich Unternehmen intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit, beispielsweise mit der Frage, wie sie ihre Treibhausgasemissionen senken können. Doch nun gewinnt das Thema eine noch größere Relevanz. Denn nach der neuen europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird ein großer Teil der Unternehmen berichtspflichtig. Das bedeutet: Sie müssen nicht nur – wie bisher üblich – im Bereich der Finanzen, sondern auch zum Thema Nachhaltigkeit über belastbare Zahlen berichten.

Dabei können sie sich Unterstützung von Experten wie Florian Eckel (Physik M.Sc.) holen. Er ist Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS und entwickelt branchenübergreifend Nachhaltigkeitsstrategien für den deutschen Mittelstand. Zudem arbeitet er eng mit Unternehmen zusammen zu den Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit.

In dem Interview erklärt Florian Eckel, welche Vorteile solch eine Nachhaltigkeitsbuchhaltung bietet und wie Unternehmen diese entwickeln können. Dabei gibt er zahlreiche wichtige Hinweise und Tipps aus seiner langjährigen Erfahrung.

  • Herr Eckel, Sie entwickeln branchenübergreifend Nachhaltigkeitsstrategien mit Unternehmen aus dem deutschen Mittelstand. Was ist zurzeit das zentrale Thema für Unternehmen?

Ein aktuelles Fokusthema ist die Erfüllung der neuen europäischen Berichtspflicht, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Dies treibt die Unternehmen branchenübergreifend um. Bisher haben sie sich schwerpunktmäßig eher mit der Erarbeitung und Umsetzung von Maßnahmen z. B. zur Reduktion der Treibhausgasemissionen beschäftigt. Parallel sind zum Teil Treibhausgasbilanzen bzw. CO2e-Fußabdrücke berechnet worden. Diese sind als Kennzahlen für Marketing- oder Vertriebsaktivitäten genutzt worden. Das ändert sich jetzt.

  • In welche Richtung verändert sich das?

Zukünftig sind Kennzahlen für die Marketing- und Vertriebsabteilungen nicht mehr ausreichend. Durch die CSRD müssen Unternehmen nicht nur im Bereich der Finanzen, sondern auch innerhalb der Nachhaltigkeit über belastbare Zahlen berichten. Diese Berichterstattung muss externen Prüfungen standhalten, da die Unternehmen im Zweifel dafür haften. Letztendlich müssen sie selbst eine Nachhaltigkeitsbuchhaltung aufbauen. Sich zur Erfüllung von Berichtspflichten auf von externen Dienstleistern berechnete Kennzahlen zu verlassen, ist ebenso wie bei einer Steuererklärung nicht angezeigt.

  • Was verstehen Sie unter Nachhaltigkeitsbuchhaltung?

Das Äquivalent zu einer Finanzbuchhaltung für den Bereich Nachhaltigkeit. Der Schwerpunkt liegt zu Beginn sicherlich auf den Treibhausgasemissionen. Dazu kommen weitere Umwelteinflüsse und soziale Faktoren. Die Nachhaltigkeitsbuchhaltung ermittelt hierfür quantitative Kennzahlen und berichtet diese CSRD-konform. Die CSRD verlangt zusätzlich den Abgleich mit quantitativen Inhalten wie zum Beispiel der Unternehmensstrategie, Nachhaltigkeitszielen, geplanten Maßnahmen … Auch diese Inhalte müssen also von der Nachhaltigkeitsbuchhaltung erstellt und gepflegt werden. 

  • Durch eine Nachhaltigkeitsbuchhaltung wird aber noch gar kein direkter positiver Nachhaltigkeitseffekt erzielt. Warum ist das so wichtig für Unternehmen?

Das ist korrekt – trotzdem werden Unternehmen dem nicht entgehen können. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Erstens wird ein großer Teil der Unternehmen durch die CSRD berichtspflichtig. Diese kann nur durch den Aufbau von Expertise und eines nachvollziehbaren Systems mit entsprechenden Prozessen erfüllt werden. Zweitens werden die B2B-Kunden der Unternehmen CSRD-konforme Kennzahlen verlangen, nicht zuletzt, weil sie diese selbst für ihren Bericht benötigen. Drittens benötigen die Unternehmen diese zur Steuerung der eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten. Und viertens, weil die Kosten für Finanzierungen am Kapitalmarkt davon abhängen werden. Ein Unternehmer sagte in einem Informationsgespräch neulich, das sei das erste Mal, dass er ein Berichtsthema aus eigenem Interesse vorantreibt. Bisher hätte er bei vergleichbaren Änderungen abgewartet, bis die Umsetzung nicht mehr zu verhindern war.

  • Wie entwickelt man sowas – eine Nachhaltigkeitsbuchhaltung?

Es handelt sich um einen iterativen Prozess über mehrere Jahre. Beginnen sollten Unternehmen mit einer Erstbilanzierung der Treibhausgasemissionen. Dabei kann man sich leicht in endlosen Details verlieren. Nach meiner Erfahrung ist es sinnvoll, sich hier zunächst auf die größten Emittenten zu fokussieren. Im folgenden Bilanzierungsjahr können einzelne Aspekte nach einer Aufwand-Nutzen-Abwägung weiter ausdetailliert werden. Dazu gehört einerseits die Ausweitung der betrachteten Emissionsquellen, andererseits die oft unbefriedigende Datenqualität. Zusätzlich kann die Bilanzierung um weitere Umwelt- und soziale Aspekte erweitert werden. Zusätzlich sollten nach der erste Iteration Prozesse zur Automatisierung der Datenerhebung implementiert werden, um Aufwände in den Folgejahren zu reduzieren.

  • Für die Datenqualität haben Sie dargestellt, dass diese in einem iterativen Prozess über mehrere Zyklen zu optimieren ist. Was Sie noch nicht dargestellt haben, ist, wie Unternehmen mit diesen Daten umgehen sollen. Wie sollen Unternehmen diese Daten und Informationen konsolidieren und auswerten?

Diese Frage ist zurzeit nicht abschließend beantwortet. Die Berichtspflichten entstehen gerade noch. Der Markt ist sehr dynamisch und es formieren sich verschiedene Lösungen: Auf der einen Seite werden Dienstleistungen angeboten, die eine jährliche Berechnung auf der Basis der vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Daten vornehmen. Auf der anderen Seite bieten eine Reihe von Unternehmen Softwarelösungen an, um Bilanzen und Reports zu erstellen.

  • Was sollte eine gute Lösung können?

Wir haben bei unserer Lösung die Erfahrung gemacht, dass eine geeignete Software sowohl die Strategieentwicklung als auch die Ermittlung von quantitativen Kennzahlen im Bereich Nachhaltigkeit unterstützen sollte. Dies ist erforderlich, um die Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten und externen Prüfungen standhalten zu können. Zusätzlich können Synergien gehoben werden. Das Thema Nachhaltigkeit ist komplex und die Betrachtung in einer Gesamtlösung hilft, den Überblick zu behalten.

  • Als Grund haben Sie die europäische Berichtspflicht, CSRD, genannt. Dazu geistern Stichworte wie NFRD, ESRS und EFRAG herum. Das sind viele verwirrende Abkürzungen. Vielleicht können Sie hier zum Abschluss etwas Licht ins Dunkle bringen?

Gerne. Die bisherige europäische Berichtspflicht NFRD (Non-Financial Reporting Directive) wird zukünftig durch die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) abgelöst. In diesem Zusammenhang werden deutlich mehr Unternehmen als zuvor berichtspflichtig. Die Inhalte aus der CSRD sollen nach den ESRS (European Sustainability Reporting Standard) berichtet werden. Die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) entwickelt für die EU-Kommission Vorschläge für die Berichtsstandards. So hat die EFRAG auch den ersten Entwurf der ESRS entwickelt und veröffentlicht. Den adoptierten Standard hat die EU-Kommission Anfang der Woche, am 31. Juli 2023, veröffentlicht.

  • Herr Eckel, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!


Kontakt:

E-Mail: florian.eckel@iais.fraunhofer.de
Telefon: +49 2241 14-2308
https://www.iais.fraunhofer.de/nachhaltigkeit